Teil 2 (den ersten Teil gibts hier) von @chris_kittel über die 2-tägige interdisziplinäre Konferenz “Soft Control: Art, Science and the Technological Unconscious” in Maribor: Gezeigt und besprochen wurden neue Strategien zeitgenössischer praktischer Kunst und Bildung im Themenbereich Technologie.
Mittlerweile eher unrelated und random, aber vielleicht trotzdem spannend und unterhaltsam: Soft Control Day 2. Der zweite Tag der Konferenz hatte als Themenschwerpunkt Bildung und Forschung im Bereich Biotechnologien und Kybernetik, die Keynote wurde gehalten von Roy Ascott.
Vorgestellt wurden auch jede Menge DIY-Projekte zu Robotik und Visualisierung, sowie einige sehr experimentelle Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Kunst (Videos siehe am Ende!)
Keynote: Roy Ascott – Technoetic Creativity
Roy Ascott ging davon aus, dass die Fragen heutzutage nicht mehr mit „Was?“ beginnen, sondern mit „Wie?“. Diese neue Art zu Denken, beeinflusst durch die Wahrnehmung von komplexen Systemen und Netzwerken, müsse auch in die Bildung einfließen.
Es braucht eine neue Spracharten, und Schreiben dreht sich heute hauptsächlich um Prozesse, sei es bei Marcel Duchamps oder Rufus Pollock (Exploring Patterns of Knowledge Production).
Es begann in den 1960er Jahren, mit Ross Ashbys Theorien über Information and Kybernetik. Ich empfehle einen Blick auf das Archiv seines Werks, welches gleichzeitig ein beeindruckendes Beispiel für semantisches Archivieren und verschiedene logische Perspektiven auf Informationen darstellt. Es ging dann weiter mit Roy Ascotts Theory of Second-Order Cybernetics (1970), und dreht sich heutzutage um Konzepte wie technoetics, moistmedia, syncretism, hypercortex und cyberception.
Frühe Vorläufer dieser Denkschule war auch Fourier, der dachte er hätte die Gesetze sozialer Interaktion entdeckt, was zu architektonischen Projekten wie dem Cedric Price Fun Palace geführt hat.
Generating Knowledge through Techno-Creativity
Als neuen Weg der Wissens-Schaffung bezeichnet Ascott “Technokreativität”. Dieser Prozess beruht auf “Five Pillars of Wisdom” (5 Säulen der Weisheit): Amplifying Thought (concept development), Designing Identity (self-creation), Seeding Structures (self-organising systems), Making Methaphors (knowledge navigation), Sharing Consciousness (collaborative processes). Als Beispiel für eine neue Art der Bildung nennt Ascott sein Planetary Collegium.
Jurij Krpan
Jurij Krpan, Begründer und langjähriger Kurator der Kapelica Kunstgalerie, beschreibt und analysiert den schleichenden Verlust seines Publikums: „The lost love of the Kapelica Gallery Audience“.
Das Publikum war über lange Zeit in zwei relativ gegenpolige Gruppen gespalten, die wenig voneinander wussten: Body Art, „roh, dreckig, experimentell“ und Technologie „Robotik und computerbasierte Kunst“.
Kapelica entwickelte die Unterscheidung in „Zoe“ und „Bios“. Zoe als das Leben in bekannten Formen wie Menschen, Tiere, Pflanzen. Bios als das Leben in seinen kulturellen und politischen Konsequenzen. Sie begannen, Leben als Objekt zu betrachten, ähnlich dem was John Cage für die Stille getan hat: Vor Cage war Stille eine Bedingung für Musik, danach wurde sie Teil davon.
Mit Beginn der Bemühungen der KuratorInnen und KünstlerInnen, Schnittmengen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, und Versuchen, die Differenzierungen zwischen „living, semi-living, non-living entities“ in größtmöglicher Detailliertheit herauszuarbeiten, nahm allerdings das Interesse des Publikums ab. Jurij Krpan hat für die Abwendung bislang noch keine ausreichende Erklärung gefunden.
Brandon Ballengée
Ballengée beginnt mit der alten Frage: Was ist natürlich, und was ist möglicherweise über oder jenseits der Natur? Ist Technologie natürlich oder nicht, oder eine natürliche Entwicklung unserer Spezies? Die Antwort überlässt er dem Publikum.
Ballengée macht dann eine interessante Feststellung: Es habe sich ein „experiental gap“ entwickelt, eine Erfahrungslücke, die daher rührt, dass unsere Kultur in immer stärkerem Maße Wissen bevorzugt, das aus indirekten Erfahrungen beruht: Sekundäre Erfahrungen, in welchen Informationen bereits vorselektiert, modifiziert, in Pakete geschnürt und die wir von anderen präsentiert bekommen.
Das Projekt, das Ballengée in einer Mischung aus Bio-Aktivismus, Kunst und Forschung auf der Ausstellung präsentierte, beobachtet Mutationen bei Amphibien. Sie sind als Bio-Indikator-Spezies, an deren Zustand man den Zustand ihres Ökosystems erkennen kann, von besonderer Bedeutung. In den letzten Jahren werden in zunehmender Zahl verschiedene Deformitäten beobachtet, fehlende, zusätzliche oder fehlgeformte Gliedmaßen. Ballengée untersucht mögliche Ursachen für die Abnormitäten.
Eine Arbeitshypothese war, dass agroindustriell verschmutzte Lebensräume Auslöser für Mutationen sind. In der Realität stellt sich allerdings nach einigen Studienreihen heraus, dass vielfältige Ursachen zu verschiedenen Phänomenen führen können. Fehlende Gliedmaßen oder Deformitäten entstehen z.B., wenn durch Räuber verlorene Gliedmaßen (selective Predation) durch die bei Amphibien enorm hohe Regenerationskapazität teilersetzt werden. Dieses Phänomen kann man als global betrachten.
Ein „emerging disease“ ist allerdings das zuehmende Auftreten von Infektionen durch Trematoden (ribeiroia ondatrae), die durch die industrielle Landwirtschaft auf jeden Fall begünstigt wird.
Ballengée unternimmt vor allem Felduntersuchungen mit StudentInnen, und beklagt die schlechte Finanzierung des Amphibienschutzes.
Maya Smrekar
Your body as a means of food production (wirklich schräge Projekte)
BoredomResearch
Auf jeden Fall ein Beitrag zur Entschleunigung unserer Kultur: SnailMail.
Louis-Philippe Demers, Nanyang Technological University, Singapore
“The Tiller Girls”, Dance Like a Machine: Roboter verzerren die gewöhnlichen Funktionen von Körperteilen.
The Tiller Girls from Festspielhaus St. Pölten on Vimeo.
Sein Kommentar: Roboter in ihrer aktuellen Form haben zwar performative Fähigkeiten, aber keinen Sinn für Interpretation – welcher durch Künstliche Intelligenz und sensorisches Selbstbewusstsein hinzugefügt werden müsse.
David Bowen
Jede Menge interessanter DIY- / Bio/Art-Hacking-Projekte mit großer Randomness!
phototropic drawing device: 4months, millions of marks
growth rendering device from david bowen on Vimeo.
Und nicht vergessen, der Fliegenkolonie zu followen!
Marina ABRAMOVIC
Leider habe ich für das Gespräch mit Marina Abramovic nicht mehr bleiben können…